Brilliante Farbfotos aus 1909
Donnerstag, 18. Januar 2007 | Autor: Nico
Im Gegensatz zu diesem sind Farbfotos aus der ersten Hälfte des 20sten Jahrhunderts sind im Allgemeinen unscharf, klein und dunkel. Erinnert man sich an Aufnahmen vom zweiten Weltkrieg, so sind die meisten Fotos noch in Schwarz-Weiß, Farbfotos wie dieses sind immernoch farbstichig und blass.
Auch Filmemacher orientieren sich daran und halten ihre Kriegsfilme in Grün und Stahlgrau. Geradeso, als ob Gras damals nicht satt grün, der Himmel nie strahlend blau gewesen wäre.
Dabei gab es nach den ersten, vereinzelten Farbfotos (Hintergundinformationen) bereits 1909 farblich brilliante, scharfe Fotos, die in ihrer Qualität der Zeit 30 bis 40 Jahre voraus waren. Zudem handelt es sich nicht um einzelne, von Wissenschaftlern geschossene Fotos, sondern um eine Fotoreportage aus knapp 2000 Aufnahmen!
Es geht um die Fotos von Sergei Michailowitsch Prokudin-Gorski. Er nahm von jedem Motiv unmittelbar nacheinander drei Bilder auf, eines durch einen Rot-, eines durch einen Grün-, eines durch einen Blaufilter. Mittels dreier Projektoren, einer mit rotem, einer mit grünem, einer mit blauem Licht, können die Bilder deckungsgleich auf eine Leinwand projeziert werden und das ursprüngliche Bild ergibt sich. Alle Fotos in diesem Artikel sind so entstanden.
Doch zu seiner Zeit waren die Projektoren eher weniger gut. Ähnlich wie heute die Projektoren an Schulen 😉
Mit aktuellen PCs ist es allerdings ohne weiteres möglich, die Farbplatten passgenau übereinander zu legen. So konnten die Platten Prokudin-Gorskis über 90 Jahre nach deren Aufnahme und 56 Jahre nach seinem Tod endlich angemessen zusammengesetzt werden.
Herausgekommen sind 1902 digitalisierte Aufnahmen seiner Dokumentation des Russischem Reiches unter Zar Nikolaus II., in der er die Landschaftliche und ethnische Vielfalt des Russischen Reiches vor dem ersten Weltkrieg auf 9cm breite Glasplatten bannte.
Wie kam es eigentlich dazu?
Nach seinem Chemie-Studium forschte Prokudin-Gorski über 15 Jahre lang auf dem Gebiet der Fotografie, was ihm außer dem Redakteursposten einer Zeitschrift für Fotografen auch mehrere Auszeichnungen einbrachte.
Irgendwann fasste er dann den Plan, das gesamte Russische Reich mit seiner perfektionierten Technik in Farbe festzuhalten, unter anderem um sie später zu Lehrzwecken vorzuführen.
Nach einigen Präsentationen seiner Aufnahmen in der damaligen Hauptstadt Sankt Petersburg wird Großfürst Michail von Russland auf seine Arbeit aufmerksam und stellt den Kontakt zum Zaren Nikolaus II. her. Nach einer Vorführung der Bilder am Hof wird er vom Zaren in seinem Plan, das Russische Reich fotografisch zu dokumentieren, unterstützt. Bewaffnet mit Kamera, Passierscheinen für Sperrgebiete und einem eigenen Eisenbahnwaggon für die Entwicklung der Platten reiste er in alle Winkel des damaligen Russlands: Ukraine, Usbekistan, Turkestan, Türkei, Georgien, Aserbaidschan, Kasachstan, das Ural-Gebirge, die Wolga.
Neben dem Zaren traf er auch auf andere Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, wie etwa Lew Tolstoi, den er sogleich ablichtete, oder den Erfinder des Periodensystems der Elemente: Mendelejew.
Weitere, größere, bessere Fotos gibt es auf der Seite der Library of Congress, die das Material, welches Prokudin-Gorski über den Krieg hinweg aufbewahrt hatte, von dessen Erben aufgekauft hat. (Die Familie des Zaren war bereits 1919 auf Lenins Befehl ermordet worden.)
Man kann dort entweder die einzelnen Alben durchsuchen, sich sämtliche Farbfotos anzeigen lassen oder aber sich die Seite der zugehörigen Ausstellung „The Empire That Was Russia” mit ausgesuchten, vollständig restaurierten Bildern und weiteren Hintergrundinformationen, anschauen.
Weitere Bilder, durchaus auch in 1280×1024 aufwärts und guter Qualität findet man bei Wikipedia, Gegenüberstellungen zwischen alten und modernen Fotos findet man auf dieser russischen Seite.
Hintergründe und Briefe zum Treffen mit Tolstoi sowie das Foto sind hier zu finden.