StuRa vs. Realität
Sonntag, 4. Juli 2010 | Autor: Nico
StuRaktiv ist die Zeitschrift des Studierendenrates (der Vertretung der Studierenden) der Uni Leipzig.
Manche Artikel in der Sturaktiv sind interessant und sprechen wichtige Probleme unserer Zeit an. Oft aber fasst man sich einfach nur an den Kopf…
Protokoll einer Schlammschlacht
Wer das ganze Drama selbst lesen möchte:
Sturaktiv 15 - Januar, S. 18ff
Sturaktiv 16 - April, S.14
Sturaktiv 17 - Mai, S. 8
Sturaktiv 18 - Juni, S. 10
Es beginnt im Januar mit einem dieser unsäglichen Forderungskataloge. Man kennt das. Der Stura oder eine sonstige Organisation, stellt Forderungen an die Politik, das Land, den Staat, wen auch immer. Das fängt vernünftig an und eskaliert dann üblicherweise dahingehend, dass irgendwelche Ansprüche herbeifantasiert werden, die mit der eigentlichen Sache (Bildung) nichts zu tun haben und gerne auch völlig unrealistisch sind.
Indem er solche realitätsfernen Forderungen stellt, macht sich der Stura lächerlich - vor der Politik, den Studierenden, der Realität. Bastian Lindert - seines Zeichens ExStura - hat das erkannt und dem Stura in der April-Ausgabe aufs Brot geschmiert. Es bemängelt Punkt 9 des Forderungskataloges:
9) Selbstverwaltete, studentische Räume
Freiräume bieten den Menschen Orte, die sie in Ruhe und mit weiteren Interessierten über Themen, Problematiken, Lösungsansätze, Kultur etc. nachdenken lassen, um produktiv, engagiert, erkenntnisfreudig und mit starken Willen seinem Leben und der der anderen mehr Freiräume und! Freiheit zu bieten, dies impliziert die Weiterbildung: Mit studentischen, selbstverwalteten Räumen haben wir in Form von selbstgestalteten Workshops, Vorträgen, Diskussionen, aber auch Musikprobe, kreatives Schreiben, Kunst in jeglicher Hinsicht etc. die Möglichkeit uns und unser Wissen, unser Engagement, unsere Neugierde zu fördern und andere daran Teil haben zu lassen. Demnach müssen die Freiräume auch ein gewisses räumliches und zeitlich fundiertes Vermögen besitzen.[Forderungskatalog]
Klare Sache - hier wird die total abgehobene Forderung gestellt, die Uni möge doch bitte Räumlichkeiten für die Privatvergnügungen der Studierenden bereitstellen. Lindert merkt das an und mutmaßt, dass der Stura hier mit Aktionismus von seinem eigentlichen Problem - mangelndem Rückhalt in der Studierendenschaft - ablenke.
Stattdessen neigen die Studierenden immer wieder zu Aktionismus und nicht so richtig durchdachten Schnellschüssen, die schnell pariert werden oder nutzlos verrauchen. So auch mit dieser Forderung. Unabhängig vom Realitätsgehalt bleibt zu Fragen:
1. In welchem Licht erscheinen die Studierenden und ihre Forderungen, wenn sie noch nicht einmal ihre eigenen Institutionen kennen und verstanden haben?
2. Muss es dem in letzter Zeit viel gescholtenen Rektorat nicht ein Fest sein, der Öffentlichkeit – und sei es nur die hochschulinterne – die Naivität oder auch Unwissenheit der Studierenden vorzuführen, indem es auf deren Interessenvertretung verweisen kann?[Lindert]
Der Stura in Form der Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, Laura Wolf, schießt in der darauffolgenden Ausgabe zurück. Sachlich und souverän gibt sie zu, dass die einzelne Forderung etwas übermütig war, verweist aber auf das durchaus realistische Gesamtbild des Forderungskataloges. Die Forderung nach Räumen, in denen Studierende ihre Freizeit verbringen können - Räume zum Studieren sind explizit nicht gemeint - wird wiederholt:
An der Universität Leipzig gibt es nämlich keinen richtigen Aufenthaltsort für Studierende dessen Nutzung sie selbst bestimmen können. Die Bibliothek ist zum Lesen und Lernen da, die Mensa zum Essen und keinesfalls zum Verweilen, da mit freundlichen Schildern auf KommilitonInnen verwiesen wird, die auch noch essen möchten.
[Wolf]
Lindert’s Kernkritik wird unreflektiert niedergeschrieen:
Er geht sogar dazu über, diese engagierten Studierenden mit Aktionismusvorwürfen und „nicht so richtig durchdachten Schnellschüssen“ in einer von (StuRa-) Arroganz sprühenden Art zu verhöhnen, dass einen Peinlichkeitsattacken heimsuchen. Der Gipfel seiner ignoranten Sichtweise bildet die süffisante Frage „in welchem Licht (…) die Studierenden und ihre Forderungen [erscheinen], wenn sie noch nicht einmal ihre eigenen Institutionen kennen und verstanden haben“.
[Wolf]
Man mag davon halten, was man will. Ich persönlich hätte mir mehr Dialog und weniger Beleidigungen gewünscht. Das leistet erfreulicherweise Magdalena Protte auf der nächsten Seite der Ausgabe! Sie arbeitet in der Projektgruppe Studierendencafé mit und hat Interessantes zu berichten:
Dass der StuRa die PG Studierendencafé nicht einmal ideell unterstützen möchte, […] gibt Grund zur Annahme, dass der StuRa nicht für jede Art der studentischen Selbstverwaltung offen ist.
[Protte]
Huch? Hat Fr. Wolf nicht gerade eben noch das Café als Paradebeispiel der selbstverwalteten Räume benannt?
Hätte sich Bastian Lindert die Mühe gemacht hinter die Forderung der Studierenden zu blicken und diese in ihren Kontext einzubetten, welcher bspw. aus dem Redebeitrag auf der Vollversammlung vom 14. Januar 2010 zu erkennen war, so hätte er dies auch erfasst. Diese Studierende sind außerhalb der studentischen Gremien aktiv (siehe Artikel „Ein Café von und für Studierende“ in dieser Ausgabe) und engagieren sich ohne dafür eine Aufwandsentschädigung zu bekommen oder Lebenslaufpluspunkte zu sammeln.
[Wolf]
Hm..
Inzwischen ist Juni und Lindert schreibt seinerseits zurück:
Richtig ist, dass dem StuRa die Räume „zur materiellen Sicherung der Arbeitsfähigkeit“ überlassen wurde. Welche das sind und in welchem Maße die vorhandenen Räume dafür genutzt werden, liegt aber im Ermessen des Gremiums. Wenn der StuRa z.B. ein Cafebetrieb als notwendig erachtet […] so liegt es in seinem Ermessen, im „Aquarium“ eine „gemütliche und freies Atmosphäre mit Sofas, Bücherregalen und vielen Grünpflanzen zu bieten“ (Protte). Voraussetzung dafür ist nur, dass der StuRa das Anliegen für so wichtig hält, dass er seine SprecherInnen und ReferentInnen für Öffentlichkeitsarbeit umsiedelt.
[Lindert]
Der Grund weshalb der Stura das nicht tut, ist natürlich der selbe, der die Uni daran hindert, dies zu tun: Es gibt einfach keinen Raum, den man zur Verfügung stellen könnte.
Statt eine sachliche Lösung für das Problem zu suchen, wird monatelang gestritten - vorbei an den realen Problemen, vorbei an den Studierenden, vorbei an der Realität.