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Schulzeitnostalgie,Taschenrechner und transzendente Zahlen

Montag, 16. April 2012 | Autor:

Damals™ in der Schu­le hat­ten wir Taschen­rech­ner. Zu Anfang eher ein ein­fa­ches Modell: Grund­re­chen­ar­ten, ele­men­ta­re Funk­tio­nen – passt. Spä­ter dann wech­sel­ten wir zu einem deut­lich aus­ge­feil­te­ren Modell – dem TI-83! Der kann auch Funk­tio­nen zeich­nen, nume­risch inte­grie­ren und ablei­ten, man kann mit Matri­zen rech­nen, Sta­tis­tik betrei­ben und vie­les ande­res mehr! Was mir auch sehr gut gefiel: Es gab ein dickes Hand­buch dazu, in dem alle sei­ne Funk­tio­nen und Ein­stel­lun­gen beschrie­ben waren. Eine rich­ti­ge gute Anlei­tung, die zum Mit­ma­chen ein­lud – ein­fach toll!

Aber das Aller­bes­te war: mei Mama hat Ame­ri­ka­ner bache­le  Der Taschen­rech­ner war pro­gram­mier­bar! Bezie­hungs­wei­se ist – ich habe ihn immer noch. Im Nach­hin­ein betrach­tet, war der TI-83 wohl das, was für frü­he­re Gene­ra­tio­nen der C64 war: mei­ne Ein­stiegs­dro­ge zur Infor­ma­tik. Ich habe wirk­lich viel pro­gram­miert: In den Pau­sen, im Bus, wäh­rend des Mit­tag­essens. Ich habe ihn auch in den Urlaub mit­ge­nom­men! Dazu muss man wis­sen: wir hat­ten ein Wohn­mo­bil, da war der Taschen­rech­ner, der dank der Pro­gram­me ande­rer auch gleich­zei­tig Spie­le­kon­so­le war, ein guter Lan­ge­wei­le­kil­ler auf lan­gen Fahr­ten (Fahr­ten in Schwe­den sind immer lang). Außer­dem war das noch nicht die Zeit alles­kön­nen­der Immer-dabei-Elek­tro­nik, also konn­te man den Taschen­rech­ner auch aus prak­ti­schen Grün­den recht­fer­ti­gen. Pro­gram­me aus die­ser Zeit pro­to­kol­lier­ten zum Bei­spiel den Ben­zin­ver­brauch oder rech­ne­ten Wäh­run­gen um.

Aber zurück zum The­ma: Das prak­ti­sche an Pro­gram­men ist ja, dass sie mono­to­ne Auf­ga­ben für einen über­neh­men, sodass man sich selbst ganz auf den inter­es­san­ten krea­ti­ven Part stür­zen kann! Mathe­auf­ga­ben zum Bei­spiel: Ich habe jedes Pro­blem, das wir in Mathe behan­delt haben, zeit­nah in ein Pro­gramm umge­setzt. Das ist ein­fa­cher, als es klingt, denn die meis­ten die­ser Schul-Mathe­ma­tik-Din­ger bestehen ja nur aus einer ein­zel­nen Glei­chung, mei­net­we­gen die Gera­den­glei­chung oder die For­mel zur Lösung Qua­dra­ti­scher Glei­chun­gen. Typi­sche Pro­gram­me sahen so aus: Der Start­bild­schirm frag­te, wel­che Grö­ßen gege­ben waren. Dann wur­de man gebe­ten, die­se ein­zu­ge­ben. Danach rech­ne­te das Pro­gramm die ein­schlä­gi­ge und pas­send umge­stell­te Glei­chung aus und zeig­te das Ergeb­nis an. Kei­ne gro­ße Sache, aber eine immense Zeit­er­spar­nis! Vor allem in Klau­su­ren habe ich jede Men­ge Zeit gewon­nen, die ich anders­wo bes­ser gebrau­chen konn­te. Mei­ne (übri­gens sehr guten) Leh­rer haben zwar auf den Lösungs­weg gepocht, aber ich habe mei­ne Pro­gram­me dann ein­fach umge­schrie­ben, sodass sie auch die Zwi­schen­schrit­te anzeigten.

Nun gibt es aber bei Taschen­rech­nern ein Pro­blem: Sie spu­cken so Zah­len aus wie
1.41421356
Zah­len mit begrenz­ter Genau­ig­keit ohne tie­fe­ren Sinn. Wenn man die Zah­len aber immer und immer wie­der sieht, erkennt man sie irgend­wann recht schnell. Die Zif­fern­fol­ge 1.414… ist zum Bei­spiel meist kein Zufall, son­dern ein­fach die Wur­zel aus Zwei. War­um man das wis­sen möch­te? Allein schon, um nicht immer „1.41421356“ schrei­ben zu müs­sen ;). Ein ande­rer Zweck ist fol­gen­der: Wenn man in einem Test als Ergeb­nis „1.41421356“ hin­schreibt, weiß der oder die Leh­re­rin sofort, dass man nicht selbst per Hand gerech­net hat, denn per Hand hät­te man in der For­mel direkt gese­hen, dass es Wur­zel 2 ist und es auch so als Ergeb­nis angegeben!

Wenn man den Ver­dacht hat, dass eine Zahl eine Wur­zel aus irgend­was ist, kann man sie aber ein­fach im Taschen­rech­ner quadrieren:

1.41421356^2
= 2
1.7320509^2
= 3.00000032

Voi­là – schon weiß man Bescheid! Manch­mal kommt es nicht ganz hin. Ent­we­der hat dann die Zahl, die man qua­driert, Rechen­un­ge­nau­ig­kei­ten drin oder die Zahl ist ein­fach wirk­lich nicht die Wur­zel aus 3.

Irgend­wann, wie hät­te es auch anders kom­men sol­len, habe ich mir natür­lich ein Pro­gramm geschrie­ben, dass gleich meh­re­re sol­cher Tricks durch­pro­biert! Ist die Zahl ein Viel­fa­ches von Pi oder e? eine Wur­zel? eine Kubik­wur­zel? das Inver­se von irgend­was? Wobei die Hoff­nung natür­lich immer ist, dass die­ses Irgend­was ein­fa­cher ist. Mit „Wow, 1.7320509 ist genau das 0.637185917fache von e!“ kann man nie­man­den beeindrucken.

Lus­ti­ger­wei­se trei­ben sol­che Fra­gen nicht nur fau­le Schü­ler um, son­dern auch Mathe­ma­ti­ker. Kann man jede Zahl als Bruch zwei­er gan­zer Zah­len dar­stel­len? Nö, geht nicht. Die Län­ge der Dia­go­na­len in einem Qua­drat zum Bei­spiel nicht. Sie beträgt √2 und die ist irrational.

Irra­tio­na­le Zah­len soll­te jeder mal gehört haben, aber es gibt auch noch soge­nann­te „tran­szen­den­te“ Zah­len. Abge­fah­re­ner Name, aber was ist das? Man soll­te sich in Mathe­ma­tik grund­sätz­lich nicht von Namen ein­schüch­tern las­sen, aber mir passiert’s trotz­dem immer mal wie­der. Gehen wir erst­mal noch n Stück zurück…

Mein Pro­gramm war ursprüng­lich gedacht, um Wur­zeln zu erken­nen. Das hat oft recht gut geklappt oder wenn nicht, dann war die frag­li­che Zahl meist ein Viel­fa­ches von Pi, aber las­sen wir das mal weg und kon­zen­trie­ren wir uns auf die Wur­zeln. Mit­un­ter war eben auch das Qua­drat oder Kubik einer Zahl selbst wie­der­um tota­ler Zahlenwirrwar.

Bei­spiel. Wir haben aus irgend­ei­ner Berech­nung x=1.618033989 her­aus­be­kom­men und pro­bie­ren unse­ren Standardtrick:

1.618033989^2
= 2.618033989

Ohhhhh­kay­y­y­yy. Das Qua­drat der Zahl ist offen­bar die­sel­be (immer­noch wir­re) Zahl plus 1. Das ent­spricht der Gleichung:

x² – x – 1 = 0

und 1.618033989 ist eine Lösung die­ser Glei­chung. Jetzt könn­te man den­ken: „Hey! Es ist also nicht jede Zahl eine Wur­zel von irgend­was, aber viel­leicht ist ja jede Zahl eine Lösung so einer ein­fa­chen For­mel? So wie x² – x – 1 = 0?“

Die Ant­wort auf die­se Fra­ge wur­de erst 1844 von Liou­ville gefun­den und lautet:

Nein.

Es gibt Zah­len, für die das nicht geht. Sie wer­den tran­szen­den­te Zah­len genannt. Pi ist zum Bei­spiel eine sol­che Zahl.

Zah­len, die doch Lösung so eines Poly­noms sind, z.B. die oben genann­te 1.618033989…, wer­den alge­bra­isch genannt. Aller­dings sind die­se Zah­len auch nicht unbe­dingt ein­fach, da es für die Lösun­gen von Poly­no­men nicht immer eine geschlos­se­ne Form gibt. Dann lan­det man eben doch wie­der bei lan­gen unin­tui­ti­ven und schwer zu mer­ken­den Zah­len­ko­lon­nen – aber dafür gibt es ja dann Taschenrechner 😉

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