EHEC-Interview auf Tagesschau.de
Dienstag, 7. Juni 2011 | Autor: Nico
Auf Tagesschau.de steht momentan ein Interview mit Dr. Klaus Weidmann1 zu Thema EHEC. Weidmann ist Redakteur beim SWR und hatte 19982 mal zu dem Thema recherchiert. Schon damals hat er gravierende Mängel im Umgang mit EHEC aufgedeckt. Dementsprechend schlägt er im Interview im Wesentlichen in die „Der Staat hat versagt!”-Kerbe, was mich immer schon mal skeptisch stimmt, denn irgendjemandem bloß Versagen vorzuwerfen, ist zunächst mal keine große Leistung. Naja, trotzdem habe ich erst mal weiter gelesen, aber dann stieß ich auf folgenden Satz:
So verfügen die Amerikaner über einen ganz anderen Erfahrungsschatz. Ein Beispiel: Auf der Website des CDC hat man heute 15.300 Treffer zum Suchbegriff „EHEC”. Auf der Internetseite des Robert-Koch-Instituts findet man gerade 60 Treffer.
Das ist nicht euer Ernst, oder? Wie kann man auf die Idee kommen, jemandes Erfahrung am Umfang seiner Website zu bemessen!? An der Anzahl von Suchergebnissen!? Wer solche Schlüsse zieht, dem traue ich schlicht keine Kompetenz zu, besonders nicht im Kontext von Krankheiten, in dem solides wissenschaftliches Denken und statistisches Grundwissen essentiell sind. Hinzu kommt: Die Zahlen stimmen nicht mal. Beim CDC findet man nur 760 Treffer für „EHEC”. (Nicht dass der Vergleich davon sinnvoller würde.)
In Japan gibt es seit den 40ern eine Meldepflicht für EHEC. Deshalb weiß man auch, dass es sich nicht um eine pure Lebensmittelkrankheit handelt, sondern um eine Infektionskrankheit. Japaner wissen schon lange: EHEC ist auch von Mensch-zu-Mensch und von Tier-zu-Tier übertragbar. Auch gab es schon vor 15 Jahren Aufklärungskampagnen in Japan. Ich hatte selber Flyer in der Hand, die erklärten, wie man mit Hygiene umgeht. Es gab Videos im Fernsehen, in Schulen und Restaurants. Ich finde es beschämend, dass es sowas in Deutschland nicht gibt.
Und in Deutschland gibt es das etwa nicht? Wird nicht auch hierzulande jedes Mal wieder vor E. Coli gewarnt? Wird nicht auch hier alle Nase lang erwähnt, dass man die Grundlagen der Hygiene einhalten soll? Vor allem aber: EHEC/HUS ist bereits meldepflichtig! Seit 1998 schon, wie man im Bundesgesetzblatt S. 3425 nachlesen kann!
Weidmanns ursprünglicher Artikel beschreibt die Missstände in der Gesetzgebung der 90er Jahre. So weit so gut. Beim groben Drüberschauen findet man dort auch:
Unter den fatalen politischen Rahmenbedingungen haben vor allem Mikrobiologen und Hygieniker zu leiden, die sich ernsthaft mit der Erforschung von Seuchen, hier von EHEC, beschäftigen. […] Vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie an der Universität Würzburg erfahren wir, daß EHEC-Erreger erstmals 1985 in Deutschland entdeckt wurden. […] Unter Federführung des Robert-Koch-Instituts sei bereits 1993 in einer Studie vor EHEC gewarnt worden […].
Sieh an! Was man in Japan so lang weiß, wusste man also auch in Deutschland schon. Die Forschung steckt keineswegs in den Kinderschuhen - das RKI ist lang an der Sache dran. Zumal Forschung ohnehin länderübergreifend ist und das RKI auch englischsprachige Publikationen liest.
Es ist ärgerlich, dass so viele Tage vergangen sind, bis man aufwacht um nachzudenken: Wie wollen wir die Labore ausstatten? Wer ist eigentlich verantwortlich? Wie ist das mit der Meldepflicht? Wer organisiert die Aufklärung der Bevölkerung? Das meiste wurde in all den Jahren versäumt.
Warum sachlich recherchieren, wenn man reißerische Suggestivfragen stellen kann? Hier die Jahrzehnte alten Antworten für alle, denen Nachdenken ebenfalls zu anstrengend ist: Geforscht wird überall - es wird nicht für jedes neue E.-Coli-Bakterium ein neues Labor gebaut. Verantwortlich sind sicherlich die Gesundheitsämter. Meldepflicht ist im Infektionsschutzgesetz glasklar geregelt. Gesundheitsministerien klären jeden auf, der es wissen will.
Das nächste Mal: Ruhe bewahren. Denken. Dann schreiben.
- Vita bei phoenix ↩
- lt. tagesschau.de ↩
Thema: Tagesgeschehen | 3 Kommentare