Die Tagesschau.de-Schlagzeile vom 25.05.2011
RKI warnt vor Gemüse aus Norddeutschland
Im Artikel wird das noch einmal abgewandelt:
Das Robert Koch-Institut (RKI) warnte nun vor dem Verzehr dieser Gemüse, wenn sie in Norddeutschland angebaut wurden. […]
und es wird mehrfach erwähnt, dass alles nicht sicher ist, insbesondere nicht, „ob das Gemüse in Norddeutschland nur gekauft, oder auch angebaut worden ist”, auch Ilse Aigner wird mit mäßigenden Worten zitiert. Die Website des RKI warnte derweil sehr sachlich und vollständig:
Vor dem Hintergrund des noch anhaltenden, gravierenden Ausbruchsgeschehens mit zum teil schweren gesundheitlichen Folgen empfehlen RKI und BfR über die üblichen Hygieneregeln im Umgang mit Obst und Gemüse hinaus, vorsorglich bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren.
Dennoch wählte man eine Überschrift, die nicht etwa vor Tomaten, Gurken, Salatköpfen in Norddeutschland warnt, die eventuell gefährlich sein könnten, falls man sie roh isst, sondern eine Überschrift, die pauschal vor sämtlichem Gemüse warnt, das aus Norddeutschland kommt, egal ob gegart oder roh. Dabei war völlig klar, dass eine unachtsam formulierte Schlagzeile massive Vorbehalte beim Verbraucher wecken würde!
Am nächsten Tag dann folgendes
Einnahmeverluste durch missverständliche EHEC-Warnung
Aber wer Selbstkritik erwartet hat, wird enttäuscht. Stattdessen schiebt tagesschau.de dem RKI die Schuld in die Schuhe:
Mecklenburgs Landwirtschaftsminister Till Backhaus kritisierte konkret das Vorgehen des Koch-Instituts, das wegen EHEC sofort vor dem Verzehr von Tomaten, Salat und Gurken in Norddeutschland abgeraten hatte.
Am 7.6. dann wurde ein Interview mit Klaus Weidmann veröffentlicht, dessen Antworten ich gestern schon einen eigenen Artikel gewidmet habe. In diesem Interview fragt tagesschau.de:
In Ihrem Artikel beschrieben Sie einen Fall in den USA: Nachdem sich dort 1997 15 Menschen mit EHEC infizierten, und zum Glück keiner starb, zogen die Behörden 25 Millionen Hamburger aus dem Verkehr. Wieso gibt es in Deutschland nicht derartige Versuche, die Bevölkerung zu schützen?
Gleichzeitig, auf der Hauptseite:
Wie kann man als ehrlicher Journalist ein dermaßen widersprüchliches Weltbild propagieren? Und dann noch derart scheinheilige Fragen auf Bild-Niveau stellen?
Die Qualität des restlichen Interviews ist auch unter aller Kanone. Dabei hätte tagesschau.de ohne weiteres erkennen können, dass die Antworten Weidmanns nicht verwertbar sind. Seinen Vorwurf , Deutschlands Forschung hänge massiv zurück, wird bereits im „RKI warnt …”-Artikel wiederlegt. In dem darin eingebetteten Video wird direkt ein Wissenschaftler genannt, der sich seit 30 Jahren mit dem Erreger befasst. Tagesschau.de wusste auch, dass die Erkenntnisse Weidmanns auf einem über zehn Jahre alten Artikel fußen und damit potentiell hochgradig überholt sein können - zumal Weidemann selbst kein Naturwissenschaftler ist, sondern Politologe und Redakteur aus den Reihen der ARD.
Ist das die Qualität, die ich in Zukunft von der ARD zu erwarten habe? Inkonsistente, lückenhafte Hysterie, angereichert mit veralteter Polemik eines fachfremden Ex-„Experten”?